Die funktionelle Kolopathie, auch als Reizdarm-Syndrom bezeichnet, ist eine häufige Erkrankung bei Frauen mit hohem Übergewicht. Jede fünfte Person ist davon betroffen, ohne dass eine wirkliche Darmerkrankung vorliegt. Die tatsächlichen Ursachen der funktionellen Kolopathie sind wenig bekannt, aber man weiß, dass Stress, Angst und traumatisierende Ereignisse ihr Auftreten fördern. Und was, wenn die Ursachen im Kopf liegen? Hier die wichtigsten Fakten.
Belastend, diese Kolopathie
Die funktionelle Kolopathie macht sich durch starke Unterbauchschmerzen bemerkbar, die sich in Zeiten von Überlastung, Sorge oder Stress verschlimmern. Diese Schmerzen werden, entsprechend ihrer Ausprägung, von Blähungen, Verdauungsgeräuschen, Verstopfung oder Durchfall begleitet. Dazu kommen Übelkeit, Erbrechen und schließlich die Angst vor dem Essen. Arzneimittel, Einläufe oder Darmspülungen, Zäpfchen, darmschonende Kost, strenge Diäten…nichts hat Wirkung! Eine echte Strapaze für einen Betroffenen, der aus Angst vor übel riechenden Blähungen oder Stuhldrang sofort nach der Toilette Ausschau hält, sobald er sich in der Öffentlichkeit bewegt. Diese Beeinträchtigung kann ein derartiges Handicap sein, dass das Sozialleben erschwert wird, was letztlich zu einer tiefgreifenden psychischen Belastung für den Erkrankten führt.
Wenn alte Redensarten einen neuen Sinn bekommen
„Schiss haben“, „ein mulmiges Gefühl im Magen haben“, „ein Erlebnis schwer verdauen können“, eine Reihe von Redewendungen veranschaulicht die direkte Verbindung zwischen Gehirn und Darm.
Und das aus gutem Grund. Nach dem Gehirn beherbergt der Magen-Darm-Trakt die größte Ansammlung von Nervenzellen. Das auch „Verdauungsnervensystem“ oder „2. Gehirn des Körpers“ genannte Netzwerk verbindet mehr als 100 Millionen Neuronen, die mit ihren Verwandten im Gehirn komplett identisch sind.
Als autonome Einheit kommuniziert das Nervensystem des Verdauungstrakts mit dem Gehirn über den Vagusnerv. Zwar steuert das Gehirn die Tätigkeit des Verdauungstrakts, aber die Eingeweide ihrerseits haben wesentlichen Einfluss auf das Gehirn. Daraus folgt, dass affektive Störungen und Stimmungsschwankungen zu Verdauungsstörungen führen und umgekehrt.
Stress, Angst oder Panik verlangsamen die Magenentleerung, stimulieren die Darmperistaltik und beschleunigen den Stuhlgang. Wenn man sie nicht in den Griff bekommt, können negative Emotionen eine Hauptquelle von Verdauungsproblemen werden.
Andererseits bestimmt die Darmflora mittels Freisetzung bestimmter Moleküle die Ausschüttung von Glückshormonen im Gehirn. So gehen beeinträchtigte, entzündete oder mit Krankheitserregern infizierte Eingeweide meist Hand in Hand mit Angst, Depressionen und chronischem Stress!
Selbstverständlich ist die Wiederherstellung der Kommunikation zwischen dem Gehirn und dem Magen-Darm-Trakt der erfolgversprechendste Weg bei der Behandlung von Verdauungsstörungen!
Die probiotischen Helfer
Bestimmte probiotische Bakterien (B. longum, B. lactis, B. bifidum, L. acidophilus, L. rhamnosus, S. thermophilus) fungieren als Schutzbarriere der Darmwand, die schädliche Bakterien abwehrt. Sie helfen dem Organismus dabei, echte mikrobielle Angriffe von „falschem Alarm“ zu unterscheiden (zum Beispiel nach der Einnahme von Nahrungsmitteln) und verringern die Häufigkeit von schmerzhaften Blähungen und krampfartigen Bauchschmerzen erheblich. Ihre unbestreitbar positive Wirkung auf die Symptome der funktionellen Kolopathie sind Gegenstand zahlreicher klinischer Studien.
Einige spezifischere Bakterienstämme (L. rhamnosus, L. farciminis, L. helveticus, B. longum) haben nachweisliche Wirkung auf das Funktionieren des Gehirns. Einerseits hemmen sie die Ausschüttung eines zerebralen Botenstoffes für Stress und Angst (adrenocorticotropes Hormon) durch die Verringerung der Aktivität von Hirnregionen, die mit negativen Emotionen verbunden sind. Andererseits verstärken sie die Bildung von GABA, einem zerebralen Beruhigungsmittel, das häufig bei der Therapie von Angstzuständen (Angststörungen, Angst, Panikattacken) angewendet wird. Könnten probiotische Bakterien Erfolge bei der Behandlung der funktionellen Kolopathie liefern? Die ersten Ergebnisse sind jedenfalls sehr ermutigend.
Referenzen:
- (1). Yoon JS, Sohn W, Lee OY, Lee SP, Lee KN, Jun DW, Lee HL, Yoon BC, Choi HS, Chung WS, Seo JG. Effect of multi-species probiotics on irritable bowel syndrome: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. J Gastroenterol Hepatol. 2013 Jul 5. doi: 10.1111/jgh.12322.
- (2). Saulnier DM, Ringel Y, Heyman MB, Foster JA, Bercik P, Shulman RJ, Versalovic J, Verdu EF, Dinan TG, Hecht G, Guarner F. The intestinal microbiome, probiotics and prebiotics in neurogastroenterology. Gut Microbes. 2013 Jan 1;4(1):17-27.